Indien ist G20 Gastgeber 2023: Amma ist Vorsitzende des zivilgesellschaftlichen Sektors

Amma sagt, die Armut in ländlichen Regionen müsse als eins der Schwerpunktthemen für den gesellschaftlichen Fortschritt insgesamt behandelt werden.
Die indische Regierung hat Amma zur Vorsitzenden der Civil 20 (C20) ernannt, einer offiziellen Beteiligungsgruppe der G20. Die G20 sind das wichtigste zwischenstaatliche Forum für die entwickelten Volkswirtschaften und die Schwellenländer, um finanzielle Stabilität auf globaler Ebene zu thematisieren. Die C20 ist deren Plattform, auf der zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) nicht-kommerziellen und Nicht-Regierungs-Stimmen bei den Führern der G20 Gehör verschaffen.
Weltweiter Aufruf an zivilgesellschaftliche Organisationen, sich den C20 anzuschließen
Vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. November 2023 wird Indien den Vorsitz der G20 innehaben. Der Höhepunkt der Ereignisse ist das G20-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in New Delhi vom 9.-10. September 2023. Aber schon vorher wird Indien Gastgeber für mehr als 200 Konferenzen im ganzen Land sein: Ein Unterfangen, das intensive Arbeit von Ministerien, Arbeits- und Beteiligungsgruppen einschließt.
Als sie den Vorsitz der indischen C20 Beteiligungsgruppe annahm, erklärte Amma, sie sei der indischen Regierung dankbar, dass sie eine so hochrangige Repräsentanz für die Stimmen der einfachen Leute einrichte. Weitere Mitglieder sind Sri M, der Gründer der Satsang Foundation und Sudha Murthy, die Vorsitzende der Infosys Foundation als Teilnehmer, Rambhau Mhalgi Prabhodini als Leiterin des Sekretariats, sowie der Vivekananda Kendra aus Kanyakumari als institutioneller Partner.
Im ersten Online-Treffen sagte Amma: "Hunger, Konflikte, Artensterben und Umweltzerstörung sind heute die wichtigsten Herausforderungen für die Welt. Wir müssen ernsthafte Anstrengungen unternehmen, um Lösungen zu entwickeln. Wenn Wissenschaftler aller Fachbereiche – Informatiker, Mathematiker, Physiker, Ingenieure usw. – zusammenarbeiten würden, dann könnten wir innovativere Methoden entwickeln, um Umweltkatastrophen vorauszusagen, und dadurch könnten wir zahlreiche Menschenleben retten. Oft mangelt es uns an einem integrierten interdisziplinären Ansatz. Dies ist das Erfordernis der Stunde."
Die G20 bestehen aus 19 Staaten und der Europäischen Union; Indien gehörte im Jahr 1999 zu den Gründungsmitgliedern. Insgesamt stehen die G20 für ca. 80% des Weltbruttosozialprodukts, für 59-77% des Welthandels, zwei Drittel der Weltbevölkerung und etwa die Hälfte ihrer Landmasse.
Unter der Schirmherrschaft der G20 beteiligen die C20 mehr als 800 zivilgesellschaftliche Organisationen, Repräsentanten und Netzwerke aus verschiedenen Ländern, darunter auch solchen, die nicht den G20 angehören, um sicherzustellen, dass Menschen aller Gesellschaftsschichten auf dem G20-Gipfeltreffen gehört werden. Die Repräsentation zivilgesellschaftlicher Organisationen der G20-Mitgliedsländer begann 2010 und wurde 2013 als offizielle Beteiligungsgruppe der G20 gegründet.
Amma erklärte, dass Armut in ländlichen Gebieten ein Schlüsselthema ist, wenn es darum geht, als Gesellschaft voranzuschreiten, besonders weil die dort lebenden Menschen den größten Teil unserer Nahrung produzieren. Amma studiert das Leben der Dorfbewohner in ganz Indien und in der Welt seit über 35 Jahren. Sie weiß aus Erfahrung, dass wir, wenn wir die Dörfer oberflächlich von oben herab betrachten, keine ganzheitlichen Lösungen finden werden. Wir müssen an die Basis gehen und die Dinge aus deren Sicht verstehen.
"Eine der grundlegenden Ursachen für Konflikte ist Hunger. Das Thema Hunger ist sehr komplex. Wenn wir in verarmte Dörfer gehen, sehen wir oft, dass die Süchte der Männer zu Armut führen. Diese Armut wiederum hindert die Frauen daran, in den kritischen Phasen der Schwangerschaft angemessene Ernährung zu bekommen", sagte Amma.
"Infolge von Mangelernährung oder sogar durch Gifte aus verunreinigter Nahrung sterben ihre Kinder bei der Geburt. Den Menschen muss vor Augen geführt werden, wie notwendig es ist, Frauen, insbesondere schwangere Frauen, mit Nahrung zu versorgen."
Sie sprach auch über die Notwendigkeit, die Dorfbewohner darüber aufzuklären, dass sie sich von ihren traditionellen Praktiken verabschieden müssen, da heutzutage viele von ihnen nicht mehr tragfähig sind. Manchmal können bestehende Infrastrukturen sogar zu hochgefährlichen Krankheiten führen. 2013 richtete Embracing the World (ETW) Amrita SeRVe ein, um in 108 verarmten Dörfern in ganz Indien die Eigenständigkeit auszubauen.
„In diesen Dörfern starteten wir ein Projekt namens Jivamritam. Durch dieses Projekt versorgen wir die Menschen mit sauberem Trinkwasser und informieren die Leute über die Bedeutung sauberen Wassers. Es gab aber Leute in einigen der Dörfer, die blind daran glaubten, sie würden nur gesund bleiben, wenn sie das verschmutzte Flusswasser tränken.
Sie glaubten sogar, wenn sie das gefilterte Wasser tränken, würden sie Nierensteine und Knochenkrankheiten bekommen. Daher tranken sie weiterhin nur Flusswasser, obwohl sie mit sauberem gefiltertem Wasser versorgt wurden. Daher litten sie weiterhin an wasserbezogenen Krankheiten“, sagte Amma.
"Alles braucht Ausgewogenheit. Solange wir weiterhin Zucker konsumieren, reicht es nicht, Medikamente gegen Diabetes zu nehmen, um unseren Blutzuckerspiegel zu senken. Wir müssen also in den Dörfern Bewusstsein erwirken, aber wir müssen auch selbst in die Dörfer gehen und all die unterschwelligen Themen der einzelnen Regionen verstehen."
Amma schilderte, dass eins der ETW-Projekte darin bestand, in den Dörfern Toiletten zu bauen und den Dorfbewohnern zugleich beizubringen, wie sie selbst welche bauen. Als das Team nach einigen Monaten in eins der Dörfer zurückkehrte, um zu prüfen, welche Fortschritte erreicht wurden, wurden die Toiletten als Gebetsräume benutzt.
"Diese Dorfbewohner empfanden die neugebauten Toiletten als den schönsten Teil ihrer Häuser und sie glaubten, der beste Teil des Hauses solle immer Gott geweiht sein. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wichtig es ist, die Kultur der einzelnen Regionen zu verstehen, wenn man irgendwelchen Wandel erreichen will", sagte Amma.
2013 startete Amma im Amrita Vishwa Visyapeetham ein Projekt namens Live-in-Labs, ein experimentelles Lernprogramm, bei dem Universitätsstudenten verschiedener Fachrichtungen in ländlichen Gemeinden Zeit damit verbringen, Lösungen für nachhaltige Entwicklung zu erforschen, zu entwickeln und zum Einsatz zu bringen. Teilnehmer aus Indien und der ganzen Welt sind dabei und reisen in die Dörfer.
Das Wichtigste ist, dass die Studenten mit den Dorfbewohnern zusammenarbeiten, um ein besseres Verständnis für die Herausforderungen zu erlangen, denen sie in ihrem täglichen Leben ausgesetzt sind. Gemeinsam bewirken die Teams von Amrita und die Leute vor Ort realistische und dauerhafte Lösungen im Einklang mit den praktischen Bedürfnissen der Gemeinde.
Amma erklärte: "Die Studenten können die grundlegenden Probleme beobachten und verstehen, denen die verarmten Menschen gegenüberstehen. Dies trägt auch dazu bei, in den Studenten Mitgefühl zu wecken. Ansonsten werden Studenten sehr egozentrisch und bleiben unwissend über die Menschen in ihrer Umgebung. Indem die Studenten mit dem Leiden der armen Dorfbewohner konfrontiert werden, erwacht in ihnen ein Gefühl der Verantwortung gegenüber den Dorfbewohnern."
Amma kam auch darauf zu sprechen, wie Depressionen und psychische Erkrankungen in Indien in jeder Generation zunehmen. Obwohl das Land auf der Tradition einer kollektiven Gesellschaftsordnung basiert, entwickeln sich Identitäten, die stärker auf Einzelinteressen fokussiert sind, was die Menschen immer mehr voneinander isoliert. Sie sagte, wir müssten die Verbreitung psychischer Krankheit noch mehr fürchten als den Krieg und für psychisch Erkrankte geeignete Beratungsstellen anbieten.
"Obwohl Indien schon früher eins der dichtest besiedelten Länder war, gab es nur wenige Gefängnisse und psychiatrische Kliniken. Die Einrichtungen in einem einzigen Bundesstaat reichten aus, um das ganze Land zu versorgen. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne brauchen wir jetzt mehr Gefängnisse und Einrichtungen für die psychische Gesundheit als viele andere Länder. Unsere Kultur hat sich in Chaos und Anarchie aufgelöst. Wenn es drei Gruppen von Menschen gibt, wird keine davon mit den anderen kommunizieren. Sie werden nicht gleichmäßig miteinander teilen", sagte Amma.
Um in den Dörfern einen Sinn für gemeinsamen Besitz und Verantwortung wiederherzustellen, hat ETW in Schulen und an einigen Orten Trinkwasserversorgung bereitgestellt und Frauen ausgebildet, die die Anlagen warten. 1998 hat ETW auch begonnen, Frauen als Teil eines Rentenprogramms namens Amrita Nidhi Geld zu geben. Aber der nächste Schritt zur Stärkung der Dorfgemeinschaften kam mit dem Start der Förderung von Selbsthilfegruppen für Frauen.
Amma sagte: "2005 riefen wir das AmritaSREE-Programm ins Leben. Hier wurde zusammengelegtes Geld als Fördermittel vergeben. Dadurch wurden sich selbst finanzierende Gruppen geschaffen, die bei Firmengründungen und bei der beruflichen Ausbildung helfen. Diesen Gruppen konnten nicht nur für sich selbst, sondern sogar für ihre ganzen Dörfer Selbstständigkeit erreichen."
Bis heute hat AmritaSREE dazu beigetragen, 15.000 Selbsthilfegruppen in 21 indischen Bundesstaaten ins Leben zu rufen und 250.000 Frauen haben die Möglichkeit erlangt, einen Lebensunterhalt für sich zu erwerben. Die meisten von ihnen leben in Dörfern und abgelegenen ländlichen Regionen. Während der Pandemie hat ETW an Mitglieder von AmritaSREE auch COVID-19-Hilfen verteilt, die aus finanzieller Unterstützung, Lebensmitteln und Kleidung bestanden. Der zur Verfügung gestellte Betrag umfasste 850 Millionen Rupien (ca. 10 Millionen €).
Zum Schluss ihrer Rede an das indische C20-Team fügte Amma hinzu: "Alle hier angesprochenen Themen sind von höchster Wichtigkeit. Es muss aber über bloße Meetings hinausgehen und zu echten Treffen werden – einem Zusammentreffen von Herz und Verstand. Das ist der einzige Weg, uns selbst und andere aufzuwecken."
Die G20-Prioritäten der indischen Regierung schließen gesamtheitliches, gleichberechtigtes und nachhaltiges Wachstum ein, Umweltverträglichkeit, Stärkung der Frauen, öffentliche digitale Infrastruktur und eine Technik-basierte Entwicklung in den Bereichen von Gesundheit, Landwirtschaft, Bildung bis hin zum Handel, der Kartierung von Fähigkeiten, Kultur, Tourismus, Klimafinanzierung, Kreislaufwirtschaft, globaler Ernährungssicherheit, Energiesicherheit, grünem Wasserstoff, der Reduktion von Katastrophenrisiken und der Widerstandsfähigkeit im Katastrophenfall, Entwicklungszusammenarbeit, dem Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und vielseitigen Reformen.
Die diesjährige G20-Gipelkonferenz zum Thema "Gemeinsam stärker aus der Krise" findet am 15-16. November in Indonesien statt. Aufgrund des Verständnisses der Herausforderungen und der Notwendigkeit kollektiven Handelns bei den Nachwirkungen von COVID-19 wird Indonesien seine Präsidentschaft auf drei Säulen fokussieren: Globales Gesundheitswesen, nachhaltige Energiewende und digitalen Wandel.